Geschichte schreiben oder Geschichte sein? Das ist heute die grosse Frage vor dem Spiel in der Tissot Arena. Solche entscheidenden Spiele haben bekanntlich mehrere Namen. Man spricht von «Do or Die» oder «one last dance». Die Zürcher kommen also mit dem Messer an der Kehle aufs Eis, um dieses sechste und hoffentlich nicht letzte Saisonspiel irgendwie zu gewinnen. Alles ist angerichtet, die Fans beider Lager bescheren ihren Mannschaften eindrückliche Choreografien und sind heiss für diesen sechsten Akt im Playoff-Viertelfinal. Der Puckdrop leitet die Partie ein und nach 39 Sekunden jubelt bereits eine der beiden Mannschaften. Um dieser Serie weitere Brisanz zu bescheren sind es die Hausherren, die etwas glücklich dank Damien Brunner in Führung gehen. Als Zürcher Fan ist also nach nicht einmal einer Minute die Stimmung wieder angeschlagen. Ende Gelände?

 

Am Abgrund

 

Nach 26 Minuten ziehen wir eine erste Bilanz: von diesen gespielten Minuten agieren die Zürcher ganze acht in Unterzahl. Es ist also nicht schwierig auszurechnen, dass unter solchen Umständen eine Wende alles andere als einfach ist. Dass die Seeländer weiterhin nur mit einem Tor in Front sind, hat einen einfachen Grund: Jakub Kovar. Der tschechische Import-Goalie zeigt sein bestes Spiel im Zürcher Dress – ein Teufelskerl! Ein Hexer der seltenen Art muss hinzugefügt werden, denn eigentlich müssten die Lions anhand der Chancen der Gastgeber bereits mit mehr als nur einem Bein in den Sommerferien sein. Gut, dass «Kovy» etwas dagegen hat und seine Vordermänner sich noch später in der Partie dafür revanchieren. Erst gegen Ende des zweiten Drittels bäumen sich die ZSC Lions ein wenig auf, aber so richtig gefährlich werden sie nicht. So geht es mit diesem minimalen Rückstand zum zweiten Pausentee. Wie wohl viele andere Anhänger des ZSC frage ich mich: war es das etwa? Kommt da nichts mehr? Geht die Saison tatsächlich so zu Ende? Die Antwort liefern uns die Herren in weiss dann im letzten Abschnitt.

 

Die Auferstehung

 

In dieser zweiten Drittelspause muss Denis Hollenstein noch kurz Rede und Antwort für ein «Flash Interview» stehen. Während er spricht, wird er von der EHCB-Kurve übel beschimpft und muss sich einiges dabei anhören. Hollenstein provozieren? Keine gute Idee. Es bleiben noch ein bisschen mehr als fünf Minuten und Maxim Noreau lanciert mit einem Sahnepass via Bande Denis Hollenstein. Er nimmt Anlauf in Richtung Shikin und düpiert den Goalie zwischen den Beinen. 98 Sekunden später klingelts gleich wieder im Bieler Kasten. Die «Swiss-Made-Linie» steht wieder auf dem Eis und sorgt für die erstmalige ZSC-Führung an diesem Abend. Andrighetto tankt sich eindrücklich auf der Seite durch, sieht Hollenstein und der klatscht den Hartgummi unhaltbar in die Maschen. Holleluja, es steht 2:1 aus Sicht der Lions und es bleiben nur noch wenige Minuten zum Überstehen. Einmal noch müssen die Zürcher den Atem anhalten, als Grossmann das praktisch leere Tor versemmelt. Fünf Sekunden vor dem Ende sorgt Reto Schäppi mit einem Empty-Netter dann für klare Verhältnisse. Die ZSC Lions gewinnen mit 3:1 in Biel und erzwingen somit die «Belle» am Montagabend im Zürcher Hallenstadion. Somit haben wir auch eine Antwort auf die Fragen vor dem Spiel. Nein, die Löwen haben noch nicht ausgetanzt. Wir bitten deshalb den EHCB nochmals nach Zürich zu kommen, um dort um den Halbfinaleinzug zu spielen. Mir sind Züri!

 

(Marko Filipovic, Biel)