MIR SIND SCHWIIZERMEISTER! Nach über 300 Matchberichten darf ich diesen mit dem allerschönsten Satz überhaupt beginnen – ein wunderschönes Gefühl. Die Bilder vom 30. April 2024 als die Spieluhr runter geht und die Fans den Countdown runterzählen, gehen mir in Dauerschlaufe durch den Kopf. Dann ertönt die Schlusssirene und alle ZSC-Fans liegen sich nicht selten unter Tränen in den Armen. Die Mannschaft hopst über die Bande aufs Eis und feiert sich für die grösste Errungenschaft im neuen Löwenkäfig. «Meischter, Schwiizermeischter, Scholololo…»! Es ist akustisch die bisher beste Leistung, die wir in der Swiss Life Arena hören durften – Chapeau Fans. Von allen Rängen wird gejohlt, geschrien und gesungen. Der überdimensionale Videowürfel bekommt in der Zwischenzeit einen neuen Anstrich und ziert die Grafik: UNLEASHED – SCHWEIZERMEISTER 2024! Ein Bild für die Ewigkeit. Und ja, die ZSC Lions haben in dieser Saison und besonders nochmals in den Playoffs den Löwen definitiv «unleashed». Denn so entfesselt wie in diesem Spiel 7 im Playoff-Final 2024 gegen Lausanne HC, haben wir die Mannschaft von Marc Crawford und den Zürcher Anhang noch nie gesehen in Altstetten.

60 Minuten für die Zehnsation

Zurück zum Sport. Game 7 in einer ausgeglichenen und intensiven Serie gegen den LHC – was will man mehr als Fan? Durch den Qualifikationssieg müssen die Gäste aus der Romandie nochmals nach Zürich pendeln und ihr Glück in der Fremde versuchen. Es wird sich später als eine Monsteraufgabe herausstellen, der sie nicht gewachsen sind. Die Festung «Löwenkäfig» bleibt in den diesjährigen Playoffs unantastbar und erweist sich als uneinnehmbar für die Gegner. Wie einst die grossen Gladiatoren treten die ZSC Lions auf heimischem Eis auf, etwas, dass Yannick Weber schon nach der Eröffnung vor zwei Jahren prophezeit und es sich gewünscht hat: «Es soll für die Gegner unheimlich schwer sein, hier etwas zu holen.» Ein Mann, ein Wort! Doch auch heute muss Marc Crawford auf den überragenden Defensivmann verzichten. Der Lette Rudolfs Balcers muss ebenfalls passen und als ob das nicht schon genug wäre, fällt im Laufe der Partie Denis Malgin aus. Der Zett braucht einfach immer Drama, wenn es um den «Chübel» geht. Noch ein letztes Mal in der Saison 2023/24 ertönt der Trompeten-Song bevor die Zürcher Löwen das Eis betreten. Tosender Applaus und eine Botschaft aus dem Limmatblock die treffender nicht sein könnte: «Hüt nomal glänze, für en Abig ohni Gränze.» Bereits im ersten Drittel markieren die Herren in blau ihr Revier. Der Auftritt kommt einem regelrechten Statement nahe. Angepeitscht von den unermüdlichen Fans wirkt die Mannschaft wie ausgewechselt im Vergleich zum Auftritt ein paar Tage zuvor in der Lausanner vaudoise aréna. Sie geben Vollgas und gehen über ihre Grenzen hinaus. Simon Hrubec ist wieder ganz der Alte, wenn auch sein Arbeitstag in den ersten 20 Minuten sehr ruhig verläuft. Auf dem Cube steht nach einer Viertelstunde eine Schussstatistik von 15:3 für den Zett. Am Ende lautet sie 20:6 nach dem ersten Abschnitt, doch die Partie bleibt torlos. «Die werden doch nicht etwa so überlegen den Pokal noch aus der Hand geben?», fragen sich manche Zuschauerinnen und Zuschauer. Doch an diesem Abend gilt das «Glück des Tüchtigen», was sich einmal mehr bewahrheitet. Nach 39 Minuten und 16 Sekunden steht die Swiss Life Arena Kopf. Ein perfektes Zuspiel von Juho Lammikko wird von Jesper Frödén unwiderstehlich vollendet. In der Zeitlupe kann man sich den Querpass des Finnen stundenlang anschauen – ein «Saucer-Pass» wie aus dem Lehrbuch. Mit dem 1:0 zementiert Frödén erneut, warum er der beste Torschütze der Regular Season war bei den Zürchern. 39 Sekunden später trifft sogar Dean Kukan (abgelenkt noch von Frödén) zum vermeintlichen 2:0, doch die Schiedsrichter müssen nach einer LHC-Challenge den Treffer zurücknehmen. Dennoch, moralisch fühlt es sich zu diesem Zeitpunkt für die Gäste wohl trotzdem wie ein Gegentor an. Der allesentscheidende und letzte Treffer der Saison gelingt Juho Lammikko. Wie schon so oft in dieser Saison zieht er der gegnerischen Abwehr davon und lässt dem Goalie keine Chance. Sein Schuss zwischen den Beinen von Connor Hughes bringt den ZSC Lions eine Zwei-Tore-Führung, die sie nicht mehr hergeben werden. Sie spielen die letzte Viertelstunde souverän runter. So fest sich der LHC auch bemüht gegen Ende, es gibt kein Durchkommen an Simon Hrubec & Co. Immer ist ein Stock dazwischen, irgendwo ein Bein zu viel vor dem Kasten oder ein harter Check den das Gästeteam fressen muss. Und dann kommt schliesslich die Schlusssirene und den Zürchern bleibt nichts anderes übrig, um diese «zehnsationelle» Saison mit dem zehnten Meistertitel der Klubgeschichte bis tief in die Nacht zu feiern.

Tränen der Freude und Abschiede

Reto Schäppi kennt in seiner Hockeykarriere nichts anderes als die ZSC Lions. Das Ur-Gestein verlässt den Club in Richtung Kantonsrivale. Wie viel ihm der Titel zum Abschluss bedeutet, erkennen die Leute ab der ersten Sekunde auf dem Eis. Er ackert wie kein zweiter in diesem Spiel und lässt all seine Qualitäten in diesen 60 Minuten nochmals aufblitzen. Einer der dafür umso dankbarer ist, dass seine Kollegen den Chübel holen konnten, ist auch Denis Malgin. Während dem Spiel, als er LHC-Raffl in die Schranken weisen will mit einem Check, verletzt er sich. Ein zweiter Versuch aufs Eis zurückzukommen gelingt nicht und so unterstützt er moralisch in voller PostFinance-Montur sein Team für den Rest der Spielzeit von der Bank aus. Der Gelbhelm für einmal hilflos als Zuschauer, der unter Tränen getröstet werden muss – doch seine Kameraden richten es! Und so bescheren sich auch Phil und Chris Baltisberger noch einen letzten gemeinsamen Titel. Ein Duo, dass die ZSC-DNA in sich trägt und künftig nicht mehr im selben Dress auflaufen wird. Man könnte alle Spieler aufzählen oder hervorheben nach dieser Partie, denn für einige ist es zum Beispiel der langersehnte erste Titel. So posieren Sven Andrighetto oder auch jüngere Spieler stolz mit ihren Familien mit dem Pokal. Der grösste Moment der diesjährigen Geschichte gehört dann Denis Hollenstein. Alles ist angerichtet, um den Pokal nach sechs Jahren wieder in die Höhe zu stemmen. Volles Haus, elektrisierende Stimmung und alle heiss darauf, dass das Objekt der Begierde endlich in Zürcher Händen ist. In diesem Moment zeigt Capitano Patrick Geering Grösse und schenkt diesen Moment Denis Hollenstein, der zum ersten Mal Schweizermeister wird. Um 22:47 Uhr reckt das Team den Pokal in die Luft! Es folgt ein Abend ohne Grenzen. Und so schliesst sich der Kreis und «Holle» darf mit seinem Kollegen Simon Bodenmann, der nach dieser Finalissima die Schlittschuhe an den Nagel hängt, doch noch einen Titel zusammen feiern. Eine innige Umarmung und die Tränen in den Augen sagen alles aus. Eine Nacht für die Ewigkeit. Züri, mir sind Schwiizermeister!

(Marko Filipovic)

 

 

 

 

 

Fotos: Media Team ZSC Lions, Berend Stettler, Marko Filipovic & National League